Wanderer - 20 K (1942)

Richtig berühmt für ihre exzellenten Motorräder wurde die Marke aus Schönau bei Chemnitz vor allem in den 20er Jahren, als ihre Viertaktmodelle mit liegendem Einzylindermotor oder mit V-Zweizylindertriebwerken und Vierventilköpfen für enormes Aufsehen sorgten

Ein Motorrad von Wanderer war damals der schiere Luxus auf Rädern und ein Qualitätsprodukt par excellence. Johann Baptist Winkelhofer und Richard Adolf Jaenicke eröffneten zuerst ein Velociped-Depot für Rudge-Hochräder und boten ab 1886 ihre eigenen Fahrräder an. Ihre Marke nannten sie „Wanderer“, eine Übersetzung des englischen „Rover“. Damals orientierte sich nämlich die komplette Fahrradindustrie an englischen Vorbildern, da die britische Fahrradindustrie weltweit führend war. 1902 begannen die beiden dann ihre ersten Motorräder und 1905 ihre ersten Automobile zu bauen. 1913 brachten sie mit dem Kleinwagen Wanderer „Puppchen“ einen echter Bestseller auf den Markt. Durch die Präzision, mit der Fahrräder, Motorräder und Autos dieser Marke gemacht waren, erlangten die Produkte von Wanderer einen ganz besonderen Stellenwert. In den 20er Jahren erreichten die Wanderer-Motorräder eine Qualitätsstufe, die sie in die absolute Oberliga des damaligen Motorradbaus beförderte. So schrieb etwa Erwin Tragatsch:“Bei Wanderer kannte man nur das Beste, nie das Billigste“. Leider aber hatte der hohe Anspruch, der natürlich auch seinen Preis kannte, zur Folge, dass sich nur wenige den Luxus einer Wanderer leisten konnten. Schließlich kam die Firma, die mittlerweile in eine Aktiengesellschaft umgewandelt war, in finanzielle Schwierigkeiten. Auf Druck der Banken musste Wanderer Lizenzen verkaufen. Die Motorrad-Sparte wurde aufgeteilt. Nachdem eine anderweitige Zusammenarbeit mit NSU nicht zustande kam, wurden die Fertigungsanlagen für die Motorräder 1929 an NSU und die Konstruktionspläne der 500K, einem Halbliter-Motorrad mit Pressstahlrahmen und Kardanantrieb, an den tschechischen Ingenieur Frantisek Janecek nach Nusle bei Prag verkauft, der eine Rüstungsfabrik besaß. Allerdings war diese von Wanderer nur kurze Zeit (1927-1929) gebaute 500K eine Fehlkonstruktion. Bei Janecek wurden ihr dann die Fehler abgewöhnt und es entstand daraus die erste Jawa (Wortschöpfung aus Janecek und Wanderer). Die Automobil-Sparte von Wanderer bildete ab 1932 zusammen mit Horch, DKW und Audi die Auto Union. Im Schönauer Wanderer-Werk entstanden von nun an Schreibmaschinen, Rechenmaschinen, Werkzeugmaschinen und Fahrräder.

Ab den frühen 30er Jahren baute Wanderer dem Trend der Zeit nach einem kostengünstigen Transportmittel folgend Motorfahrräder und Leichtmotorräder. Vor allem die Wanderer mit 98 ccm-Fichtel & Sachs-Einbaumotor wurde ein Renner

Natürlich war diese Produktion nicht mehr vergleichbar mit den exzellenten Motorrädern aus der Zeit davor. Doch auch als man bei Wanderer begann Motorfahrräder zu bauen, war man sich des Anspruchs, den der Klang des Markennamens Wanderer immer noch besaß, durchaus bewusst. Eigene Motoren baute man allerdings nicht mehr. Vielmehr wurde Wanderer in den 30er Jahren einer der größten Abnehmer für Einbaumotoren von Fichtel & Sachs in Deutschland. Das abgebildete Wanderer-Modell ist nun ein ganz außergewöhnliches Exemplar, denn es entstand 1942 und hätte eigentlich gar nicht existieren dürfen. 1939 verabschiedeten die Nazis nämlich den Schell-Plan zur Typenvereinheitlichung im deutschen Fahrzeugbau. Demnach durfte Wanderer keine Motorräder mit 125 ccm Hubraum produzieren, auch die zuvor mühsam erkämpfte Genehmigung für den Bau eines neuen 125er-Modells wurde wieder aufgehoben. Trotzdem schaffte man es bei Wanderer weiter an Prototypen zu arbeiten und auch einige Exemplare der neuen 125er-Einbaumotoren von Ilo und von Fichtel & Sachs zu bekommen. Die Intention war natürlich, gleich nach dem Krieg wieder mit neuen Modellen starten zu können. Unser Modell besitzt einen Einzylinder-Zweitakt-Kickstarter-Motor von Ilo mit 125 ccm Hubraum und einer Leistung von 4,25 PS. Eingebaut sind der Motor und das angeblockte Dreiganggetriebe in den stabilen, geschlossenen K-Rahmen von Wanderer. Die 72 kg schwere 20K erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Einige Exemplare der 20K tauchten übrigens nach dem Krieg in Ungarn auf.

Fotos & Text: Marina Block

Technische Daten

Motor: Einzylinder-Zweitaktmotor

Hubraum: 124 ccm

B x H: 52 mm x 58 mm

Leistung: 4,25 PS bei 4200 U/min

Verdichtung: 1:6

Höchstgeschwindigkeit: 70 km/h

Getriebe: Dreiganggetriebe, Kulissenschaltung

Vorderradaufhängung: Parallelogramm-Pressstahlgabel

Hinterradaufhängung: starr

Bremsen: Innenbackenbremsen

Gewicht: 72 kg

Bauzeit: Prototypen von 1942




Bilder

Informationen:

MarkeWanderer
Model20 K
Baujahr1942

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